Digitaler Wandel in der Natur- und Umweltbildung – Bericht von der ERFA Tagung (Barcamp) 2020 in Lyss, Schweiz
Ganz analog und ohne Videoschaltungen kamen auf Einladung der SILVIVA Schweiz Mitte September etwa 60 Menschen in Lyss zusammen, um über den digitalen Wandel in der Natur- und Umweltbildung zu diskutieren. Dies war möglich, da zu dieser Zeit die Neuansteckungsrate von SARS-CoV-2 sehr niedrig war und Tagungen wieder erlaubt waren. Trotzdem, um ein Hygienekonzept kamen auch wir nicht herum. Es tat uns allen richtig gut, sich mal wieder persönlich mit Menschen auszutauschen.
Barcamp – was ist das?
Eine weitere Besonderheit an der Veranstaltung war, dass sie als sogenanntes Barcamp durchgeführt wurde. Bei diesem Format werden im Vorfeld keine ReferentInnen eingeladen und auch kein Programm festgelegt. Es gibt nur einen groben zeitlichen Ablauf mit offenen Workshops. Die genauen Inhalte werden von den TeilnehmerInnen zu Beginn der Tagung selbst entwickelt und im weiteren Verlauf gestaltet. Idealerweise werden bereits im Vorfeld spezifischere Themen auf einer Blogseite gesammelt und diskutiert. Das eigentliche Barcamp als Präsenzveranstaltung dient dann zur Vertiefung und dem persönlichen Austausch. Dieses agile Konzept erinnert mich auch ein wenig an das „Flipped Classroom“ Modell. Themen werden zu Hause erarbeitet und in der Schule findet anschließend eine Vertiefung statt. Somit bleibt Zeit für offene Fragen oder Dinge, die noch ausführlicher zu diskutieren sind.
Digitaler Wandel und Digitalität in der Bildung
Als Anregung wurde daher von den Veranstaltern vorab folgende Fragen formuliert und in einem Blog zur Diskussion gestellt:
- In Zeiten der Digitalität: Was kann nur die Natur (und damit die Natur- und Umweltbildung)?
- Wie können/sollten Natur- und Umweltbildung Angebote gestaltet werden, um einen Beitrag zur Gesellschaftsentwicklung zu leisten?
- Wie kann digitaler Wandel und die Kultur der Digitalität in der Bildung die Natur- und Umweltbildung Methodik bereichern?
Hat es funktioniert?
Leider war das Veranstaltungsformat wohl für viele dann doch etwas zu innovativ. Im Blog gab es nur wenige, jedoch dafür sehr spannende Diskussionsbeiträge, siehe www.silviva.ch/blog. Auf der Veranstaltung selbst sah es dann jedoch ganz anders aus. Es gab viele Vorschläge und TeilnehmerInnen, die bereit waren, einen Workshop quasi ad-hoc anzubieten. Das zweisprachige deutsch-französische Programm war also schnell gefüllt. Es wurden verschiedene Projekte und Erfahrungsberichte vorgestellt, bei denen digitale Techniken zu Einsatz kommen. Es gab aber auch rein theoretische Themen, bei denen es eher darum ging, ob und wie digitale Techniken in der Natur- und Umweltbildung zum Einsatz kommen sollen. Ich selbst habe gleich drei Workshops mit den Themen Mixed Reality, Citizen Science und Lernspiel-Apps angeboten.
Die Digitalisierung in der Natur- und Umweltbildung steckt noch in den Kinderschuhen
Spannend war, dass es einen eher kleinen Kreis von TeilnehmerInnen gab, die schon sehr umfangreiche Erfahrungen beim Einsatz von digitalen Techniken in der Natur- und Umweltbildung gesammelt haben. Für den größeren Teil war es hingegen in vielerlei Hinsicht noch Neuland. Das zeigte sich insbesondere, als ich über die Mittagspause eine protypische Anwendung mit der Hololens aus dem Forschungsprojekt SAARTE von der Hochschule Worms vorführte. Hierbei handelt es sich um eine sogenannte Mixed Reality Anwendung, bei der über eine Brille in den realen Raum hinein Objekte projiziert werden. Über Gesten kann man mit diesen Hologrammen dann interagieren. Im Beispiel waren es die Baumwurzeln einer Birke, die dann in magischer Weise unter den Füßen auftauchten und dann erkundbar waren. Wer mehr dazu wissen möchte, sollte die Webseite des Forschungsprojektes besuchen.
In den anschließenden Diskussionen zeigte sich dann deutlich, dass wir in diesem Themenfeld noch völlig am Anfang stehen. Zu oft wird die Digitalisierung in der Natur- und Umweltbildung noch sehr kritisch, ja sogar als eine Gefahr gesehen. Es geht jedoch nicht darum, das Naturerleben zu digitalisieren. Sinneserfahrungen in der Natur sind nur originär möglich und werden es auch immer bleiben. Vielmehr geht darum, die neuen digitalen Werkzeuge in technischer als auch pädagogischer Weise sinnvoll und gewinnbringend einzusetzen. Zu dessen Erkundung braucht es jedoch noch viel Forschungs- und Entwicklungsarbeit, sowohl im funktionalen als auch didaktischen Sinne.
Barcamp? Gerne wieder!
Barcamps leben vom Mitmachen und auf der Veranstaltung in Lyss hat dies prima funktioniert. Für einige ist es bestimmt noch gewöhnungsbedürftig, da alle TeilnehmerInnen sowohl zur Vorbereitung als auch dann vor Ort aktiv mitwirken sollen. Falsch ist man hingegen am Platz, wenn man eher eine Konsumhaltung einnimmt, und lieber Vorträgen lauschen möchte. Für alle die sich mehr mit dem Barcamp-Format auseinandersetzen möchten, empfehle ich die Informationsmaterialien und den Podcast auf www.selbstlernen.net. Mich hat das Format auf jeden Fall sehr inspiriert und werde es sicher auch mal bei meinen Veranstaltungen einsetzen. Ich danke den OrganisatorInnen und bin sehr gespannt, welche Nachklänge die Veranstaltung noch mit sich ziehen wird. Zur Veranstaltungsseite geht es hier: Link.